Geburt von Alina-Lucia
- Monika Frey-Rahoui
- 3. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Alina-Lucia ist mein zweites Kind. Meine ältere Tochter Acelya wurde 2007 im Krankenhaus geboren – ein Blasensprung ohne Wehen (zumindest nicht in der Zeit, die mir das Krankenhaus gab bis sie die Wehen einleiteten). Aufgrund dieser ersten Geburtserfahrung war für mich klar, dass ich keinesfalls wieder in ein Krankenhaus gehen würde. Ich wollte jemanden der mich bei der Geburt begleitet, jemanden der mir zutraut, dass ich das schaffe und nicht ständig ansagt was ich zu tun oder zu lassen habe. Als mein Frauenarzt mich bei der ersten Untersuchung fragte wohin ich zur Geburt gehen wolle antwortete ich: Auf keinen Fall ins Spital! Da gab er mir den Folder vom Geburtshaus mit.
Alina hatte am 20.Juni Termin, ich wünschte mir den 21., denn mein Mann und meine ältere Tochter hatten jeweils am einem 21. Geburtstag, geheiratet hatte ich am 21., also störte es mich auch gar nicht als am 20.Juni gar nichts geschah. Am 21.Juni passierte auch nichts, und so ging das dann Tag für Tag. Am 26.Juni war ich das reinste Nervenbündel. Ich hatte wahnsinnige Angst, dass Alina sich mehr als 10 Tage Zeit lassen würde und ich ins Spital müsste. Nach der Akupunktur beruhigte mich Monika aber. Außerdem hatte ich immer wieder ein Ziehen in der Leiste und auch das CTG zeigte, dass sich etwas tat. Trotzdem machten wir aus, dass ich am Donnerstag fasten und danach einen Wehencocktail trinken würde.
Der Donnerstag begann wie immer, mit einem Ziehen in der Leiste und der im Kindergarten inzwischen mit der üblichen Begrüßung – ob ich das Kind überhaupt noch bekommen würde J. Ich fastete brav und trank abends den Wehencocktail. 5 Minuten später ging ein Riesenbatzen Schleim ab, der alles was ich in den letzten Tagen als „vielleicht Schleimpfropf“ deklariert hatte in den Schatten stellte. Ich war glücklich, anscheinend ging es wirklich endlich los – ich erzählte meinem Mann aber noch nichts, schließlich hatte ich in den letzten Tagen schon genügend Fehlalarm gegeben. Irgendwie war ich aber sehr reizbar und als mein Mann sein Glas nicht in den Geschirrspüler stellte (was wir sonst auch nicht tun) regte ich mich so fürchterlich auf, dass mein Ziehen sogleich verschwand. Frustriert machte ich meinem Mann Vorhaltungen, dass er Schuld sei, dass unser Kind heute nicht geboren werde.
In der zweiten Halbzeit des EM – Halbfinales kam das Ziehen zurück. Es tat nicht wirklich weh und ich achtete nicht weiter darauf – schließlich wusste ich ja, dass wegen meinem Mann unser Kind heute nicht kommen würde J. Als das Spiel zu Ende war gingen wir schlafen, aber das Ziehen ging nicht weg. Nach etwa einer Stunde schaute ich auf die Uhr – alle 10 min. Ich traute mich aber nicht meinen Mann zu wecken – es tat nicht wirklich weh, also konnten es auch keine echten Wehen sein, oder? Ich stand auf um zu testen ob es dann wegginge – das Ziehen blieb und kam sogar schon alle 7min. Ich überlegte lange ob ich Monika anrufen sollte – es tat ja nicht weh, zumindest nicht stärker als starke Regelschmerzen. Um 23:50 rief ich an, Monika sagte – worüber ich sehr froh war – ich könne noch zu Hause bleiben bis die Abstände 5 min. wären. Ein paar Minuten nachdem ich aufgelegt hatte bemerkte ich, dass die Abstände auf 4 min. gesunken waren. Inzwischen musste ich auch stehen bleiben und die Hüften kreisen wenn die Wehen kamen. Ich dachte mir aber wenn ich Monika gleich wieder anrufen würde hielte sie mich für blöd, also setzte ich mir das Limit einer halben Stunde. Nach 20 min. war ich mir doch sicher, dass es losginge. Ich rief Monika noch einmal an. Dann weckte ich meinen Mann, der holte meine Mutter für unsere ältere Tochter und dann fuhren wir los. Ich nachhinein erzählte mir meine Mutter, dass sie nicht geglaubt hatte, dass wir es noch rechtzeitig ins Geburtshaus schaffen – aber ich war mir zu dem Zeitpunkt immer noch nicht sicher ob die Wehen stark genug wären. Es war einfach anders als ich erwartet hatte.
Um 1:45 erwartete uns Monika zusammen mit der Praktikantin Sandra Göttinger schon im Geburtshaus. Die Wanne war eingelassen, aber ich wollte mich lieber bewegen. Die Praktikantin massierte mir während der Wehen den Rücken, dazwischen wanderte ich umher und trank Unmengen Wasser. Monika saß auf einem Hocker und sah zu. Ich war einfach nur froh, dass mich alle in Ruhe ließen. Irgendwann fragte Monika ob es so für mich in Ordnung wäre oder ob sie irgendwas tun sollte, das fand ich echt nett, weil ich mich manchmal nicht fragen traue wenn ich etwas brauche.
Nach einiger Zeit begann ich während der Wehen zu zittern. Ich sagte ich wolle etwas essen, doch mehr als einen halben Müsliriegel schaffte ich nicht. Bei der nächsten Wehe konnte ich nicht stehen bleiben. Zum Glück war dort die Badewanne. Ich kniete mich auf die Stufen. Nun waren die Wehen so stark wie ich mir vorgestellt hatte, dass sie es wären. Ich begann Töne von mir zu geben – als ich im Geburtsvorbereitungsbuch einer Freundin vom Tönen gelesen hatte, dachte ich mir nur „was für ein Schwachsinn“ – und jetzt tat ich es selber.
Und dann wurden die Wehen noch stärker, unerträglich stark. Gerade als ich für mich beschlossen hatte Monika zu sagen, dass wir bitte abbrechen und ins Spital übersiedeln sollten, meinte sie wenn ich noch in die Wanne wollte müsste ich jetzt gehen, sonst wäre es zu spät. Für mich dachte ich mir „sie lügt“ – schließlich wusste ich noch von Acelyas Geburt, dass dieser Zustand Stunden andauert und der Muttermund war ja vorher auch nur 5cm geöffnet. Aber, weil ich meine Überzeugung nicht laut äußern wollte begann ich rumzujammern, vielleicht würde sie selbst merken, dass es sehr wehtat. Monika erklärte, dass man im Wasser den Schmerz manchmal besser aushalten könne. Ich kletterte in die Wanne. Monika holte meinen Mann dazu, der bis dahin am Bett gesessen war. Das bemerkte ich aber erst als er mich ansprach. Bei der nächsten Wehe begann ich auf einmal zu Hecheln – auch etwas was ich immer für Blödsinn gehalten hatte und dann schob ich einfach Alinas Kopf raus. Ich griff hin (obwohl ich mir immer geschworen hatte, dass ich das niemals tun wollte) und spürte ihre Haare. Der Kopf war so weich, ich habe noch nie etwas weicheres gefühlt. Monika sagte der Kopf wäre schon da, aber das wusste ich ja schon, ich hatte ja hin gegriffen weil ich es selbst nicht glauben konnte. Damit war es für mich dann erledigt. Monika meinte ich solle noch einmal pressen wegen der Schultern, aber ich tat nichts mehr. Ich hatte das Gefühl ich hätte meine Arbeit erledigt. Monika sagte sie würde kurz hin greifen und zog die Schulter heraus – und da war Alina!

Comments